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"Energieeffizienz im Rekordtempo – Serielle Sanierung von Schulgebäuden"

FNR | Beitrag vom 10.06.2024 | Interview mit Holzbau-Botschafter Hannsjörg Pohlmeyer über Besonderheiten bei der Planung und Vergabe von seriellen Bauprojekten

"Herr Pohlmeyer, als kommunaler Berater beim Holzbaucluster Rheinland-Pfalz haben Sie etliche öffentliche Holzbauprojekte und auch Schulsanierungen begleitet. Was genau versteht man unter serieller Sanierung und warum ist sie besonders für Schulbauten interessant?

Pohlmeyer: Serielle Sanierung bezeichnet ein – relativ neues – Verfahren, bei dem Gebäude mit vorgefertigten Elementen saniert werden. Diese Module werden digital an einem virtuellen "Zwilling" bis aufs Kleinste vorgeplant, in einer Fabrik industriell vorproduziert und dann auf der Baustelle wie eine Art Maßanzug montiert. Das Verfahren vereint die Vorteile von moderner Holztafelbauweise mit neuesten Sanierungstechniken. Es ist besonders für Schulgebäude interessant, weil es die Bauzeit erheblich verkürzt und Störungen im Schulbetrieb minimiert. Da Schulen oft während der Ferienzeiten saniert werden müssen, ist die serielle Sanierung eine ideale Lösung, um diese kurzen Zeitfenster optimal zu nutzen.

Neben der Geschwindigkeit gibt es weitere Vorteile für serielle Schulsanierungen. Die hohe Planungssicherheit führt auch zu Kostensicherheit. Durch die standardisierte Fertigung sind die Kosten besser kalkulierbar und es gibt, wenn richtig geplant wird, weniger unvorhergesehene Kostensteigerungen. Und schließlich wird die auch Energieeffizienz erheblich verbessert. Moderne serielle Sanierungsmethoden integrieren oft fortschrittliche Dämmtechniken und energiesparende Systeme, was zu einer deutlichen Reduktion des Energieverbrauchs führt. Wenn man so will eine Art Klimaschutz-Turbo.

Für welche anderen kommunalen Gebäudetypen sind serielle Sanierungsverfahren mit Holz besonders sinnvoll?

Pohlmeyer: Serielle Sanierungsverfahren bieten im kommunalen Sektor zahlreiche Vorteile, insbesondere bei bestimmten Gebäudetypen, die häufig ähnliche bauliche Anforderungen und Herausforderungen aufweisen. Dazu zählen neben Bildungseinrichtungen auch Kindergärten, Wohngebäude, Sporthallen, Verwaltungsgebäude, Pflege- und Gesundheitseinrichtungen sowie kulturelle Einrichtungen, wie Bibliotheken oder Museen. Speziell die Gebäude der 1960er und 70er Jahre, die oftmals Sanierungsstau aufweisen, haben ähnliche Konstruktionsmuster, die serielle Vorgehensweisen begünstigen.

Was gilt es bei der Planung und Vergabe von seriellen Bauprojekten zu beachten? Gibt es Unterschiede zum bisherigen Vorgehen? 

Pohlmeyer: Bei der Umsetzung des seriellen Bauens in öffentlichen Bauprojekten gibt es einige Besonderheiten zu beachten. Die traditionelle Rollenverteilung „Der Planer plant, der Bauunternehmer setzt um“ passt nicht mehr und es muss integraler und gesamtheitlicher vorgegangen werden:

  • Holzbau-Kompetenz absichern: Bei der Vergabe sollte darauf geachtet werden, dass Unternehmen ausgewählt werden, die über Erfahrung mit seriellen Sanierungen und Holzbau verfügen. Wenn Kommunen vorab einen Planer beauftragen, der die Chancen serieller Fertigung nicht berücksichtigt, können Umplanungskosten anfallen oder das Projekt kann schlimmstenfalls nicht umgesetzt werden. Die frühzeitige Einbindung von Holzbau-Kompetenz im Planungsteam ist erfolgsentscheidend. Der Einsatz von digitalen Planungstools und BIM (Building Information Modeling) ist dabei unabdingbar.
  • Einzellose zusammenfassen: Öffentliche Ausschreibungen setzen nach wie vor oft auf die Vergabe von Einzellosen. Dies schließt den seriellen und modularen Bau häufig von vornherein aus. Serielles Sanieren bedeutet Vorfertigen im Betrieb, d. h. verschiedene Gewerke wie z. B. Fensterbau, Fassadenbekleidung, teils Gebäudetechnik, sind bereits integriert. Hier gilt es die für den Holzbau im Allgemeinen und für serielle Bauweisen im Besonderen erforderliche Loszusammenlegung zu beachten und die vergabetechnischen Möglichkeiten unbedingt auszuschöpfen. Die integrale Koordination der verschiedenen Gewerke ist zwingend erforderlich, um reibungslose Abläufe sicherzustellen. Alle Beteiligten müssen frühzeitig eingebunden werden, um die spezifischen Anforderungen von digitaler Planung und seriellem Bauen zu berücksichtigen.
  • Wirtschaftlichkeit umfassend betrachten: Der Angebotspreis ist meist das bestimmende Kriterium bei den Zuschlagskriterien. Das billigste Angebot ist jedoch oft nicht das wirtschaftlichste. Planungs-, Bauleitungs- und Bauüberwachungskosten sowie Bauzeit, Zinsaufwendungen und Betriebskosten müssen ebenfalls betrachtet werden. Bei seriellen Holzbauprojekten ist zudem eine Verschiebung der HOAI-Phasen zu berücksichtigen. Die Leistungsphasen (LP) 2 und 3 sind die entscheidenden Schlüsselphasen in der Planung, hier werden die zentralen Weichenstellungen vorgenommen. In den LP 4 und 5 geht es dann um eine solide "Abarbeitung". Entsprechend anders ist die Kostenverteilung.

Welche Vergabeverfahren sind für serielle Sanierungen am besten geeignet? 

Pohlmeyer: Damit serielles Bauen auch in der öffentlichen Auftragsvergabe stärker berücksichtigt werden kann, sollte die öffentliche Hand zukünftig auf eine andere Projektkonzeption setzen. Verhandlungsverfahren oder wettbewerbliche Dialoge sollten verstärkt genutzt werden. Das Konstrukt der „integrierten Projektabwicklung“ (IPA) bietet ein neues Modell der partnerschaftlichen Abwicklung von Bauprojekten. In der frühen Zusammenarbeit sind Kosten-, Termin-, Qualitäts- und Nachhaltigkeitsziele besser zu handhaben.

Zudem sollten neue Bewertungskriterien integriert werden, insbesondere aus dem Bereich der Nachhaltigkeit. Hierzu gehören das Vorhandensein eines Materialkatasters, eine reduzierte Belastung des Umfelds der Baustelle sowie die Schnelligkeit der Gebäudeherstellung. Durch diese Maßnahmen können die Vorteile des seriellen Bauens vollumfänglich genutzt und die Herausforderungen in der öffentlichen Vergabe überwunden werden.

Und noch einmal: Erfahrung ist wichtig. Je größer und komplexer ein Gebäude ist umso wichtiger wird das reibungslose um komplexe Zusammenspiel. Eine gewisse Lernkurve sorgt dafür, dass mit den Qualitäts- auch die Zeitziele eingehalten werden.

Zum Abschluss, wie sehen Sie die Zukunft der seriellen Sanierung im öffentlichen Sektor?

Pohlmeyer: Ich bin sehr optimistisch. Die serielle Sanierung bietet enorme Potenziale, um den Sanierungsstau in Deutschland abzubauen und gleichzeitig die Klimaziele zu erreichen. Besonders im Bereich der Schulbauten gibt es viele Chancen, durch effiziente und nachhaltige Sanierungsmaßnahmen nicht nur die Bausubstanz zu verbessern, sondern auch ein besseres Lernumfeld für die Schüler zu schaffen. Ich hoffe, dass immer mehr Kommunen und öffentliche Auftraggeber die Vorteile dieser Methode erkennen und entsprechende Projekte initiieren.

Letztlich lohnt es sich, Pilotprojekte in anderen Kommunen zu betrachten und von deren Erfahrungen zu lernen. Serielle Sanierung kann eine äußerst effektive Methode sein, um Schulbauten schnell, kosteneffizient und nachhaltig zu modernisieren. Und nicht zuletzt ist sie die Kernkompetenz des modernen Holzbaus."

Zum Interview auf der FNR-Website 

Das Interview führte Ute Papenfuß, Referentin für nachhaltige Beschaffung bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR).

Weitere Informationen:

>> Entdecken Sie das serielle Sanierungsprojekt "Marienfelder Grundschule | Berlin".

Pressekontakt

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Ariane Steffen

Kommunikation Wohnungswirtschaft und Nichtwohngebäude

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