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Energiesprong-Hotspot NRW

In Nordrhein-Westfalen wurden bislang die meisten seriellen Sanierungsprojekte in Deutschland realisiert. Warum das so ist, konnten Vertreter der Wohnungs- und Bauwirtschaft bei einer Energiesprong on tour am 6. März in Hattingen herausfinden. Rund 130 Interessierte nutzten die Chance, sich auf zwei Baustellen der hwg über den innovativen Sanierungsansatz zu informieren.

Wie viele andere Städte im Ruhrgebiet war Hattingen eine klassische Stahlstadt. Um Arbeiter für die Henrichshütte zu gewinnen, wurde in den 50er Jahren viel Wohnraum in einfacher Bauqualität errichtet. Die Gebäude fallen heute in die Kategorie Worst Performing Buildings. Hierbei handelt es sich um gar nicht oder schlecht gedämmte Mietshäuser mit einem besonders hohen Energieverbrauch.

„In Hattingen und im gesamten Ruhrgebiet gibt es eine Vielzahl ähnlicher Gebäude, die sich hervorragend für eine serielle Sanierung eignen. Vor diesem Hintergrund kann Hattingen zum Vorbild für die energetische Modernisierung ehemaliger Arbeitersiedlungen werden“, betonte Baudezernent Jens Hendrix in seinem Grußwort.

Transformation braucht Disruption

Die regionale Wohnungsgenossenschaft hwg verfügt über einen Bestand aus 4.100 Wohnungen. Über 80 Prozent stammen aus den 50er oder 60er Jahren und werden mit Gas beheizt. An zwei Standorten lässt das Unternehmen derzeit 7 Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 66 Mietparteien in bewohntem Zustand von den Gesamtlösungsanbietern B&O sowie ecoworks seriell sanieren. Über 11 Mio. Euro investiert die hwg in die beiden Pilotprojekte. Verlaufen die Baufortschritte weiterhin so positiv, sollen weitere Bestandsgebäude mit dem neuartigen Modernisierungskonzept auf Klimakurs gebracht werden.

Für Vorstand Dr. David Wilde ist serielles Sanieren eine Chance für die gesamte Wohnungswirtschaft: „Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir disruptive Konzepte, die die energetische Modernisierung schneller, effizienter und industrieller machen“. Man stünde jetzt vor einer Situation, die es so noch nicht gegeben habe. Mit konventionellen Lösungen könne man die Klimaziele weder zeitlich, finanziell noch personell erreichen. Deshalb müsse man raus aus der Komfortzone. Mit der BEG-Förderung und dem seriellen Sanierungsbonus sei die Sanierung wirtschaftlich sehr gut darstellbar. Wilde hofft, dass die Förderung unter der neuen Regierung fortgesetzt und nicht auf dem Altar der Verteidigungsausgaben geopfert wird.

Mehr Tempo durch XL-Elemente

Mit 800 Mitarbeitenden an 24 Standorten ist die 1958 gegründete B&O-Gruppe eine feste Größe in der Baubranche und hat sich mittlerweile auch als Gesamtlösungsanbieter im seriellen Sanierungssegment etabliert. Im Bauabschnitt von B&O zeigt sich, wie steil die Lernkurve innerhalb der Branche ist.

Lag das Arbeitspensum bei den ersten seriellen Sanierungen noch bei rund 150 m2 Fassadenfläche pro Tag, startete B&O in Hattingen bereits mit 250 m2 und steigerte sich im laufenden Projekt auf 500 m2. Das ist fast zehnmal schneller als eine konventionelle Dämmung mit einem klassischen Wärmeverbundsystem. Erreicht wurde dieser Geschwindigkeitsrekord durch großformatige Fassadenelemente und einen neuartigen Wandaufbau.

Ein optisches Highlight im B&O-Bauabschnitt ist das Solardach. Photovoltaikmodule bilden hier quasi das Dach und ersetzen damit die klassische Dacheindeckung. Neben dem ästhetischen Mehrwert ist die Anlage weiterhin BEG-förderfähig, da sie einen integralen Bestandteil der Gebäudehülle darstellt. „Seit Einführung des 15-prozentigen Bonus für serielles Sanieren Anfang 2023 sind die Anfragen rasant gestiegen. Aus 126 Angeboten sind Projekte in allen Regionen Deutschlands entstanden. Das zeigt, dass serielle Sanierungslösungen in der Breite angekommen sind“, erzählt Alexander Fuchs, Prokurist der B&O-Gruppe. Mittlerweile seien die Kosten um 30 Prozent gesunken. Zudem würden die Projekte größer und erste Skalierungseffekte bemerkbar.

Neuartiges TGA-Modul ersetzt Strangsanierung

Ecoworks zählt zu den Pionieren der seriellen Sanierung und hat 2019 das erste Pilotprojekt in Deutschland im niedersächsischen Hameln realisiert. Mittlerweile hat das Berliner Start-up Erfahrungen in zahlreichen Folgeprojekten gesammelt, von denen das Hattinger Projekt profitiert.

Im Karl-Roth-Weg kommt ein fassadenintegriertes TGA-Modul zum Einsatz, in dem sich die Heizungsleitungen für die Wohnungen befinden. Das macht eine aufwendige Strangsanierung, die mit einer hohen Belastung für die Mieter verbunden ist, unnötig. Der Einbau dauert pro Strang nicht länger als ein bis zwei Tage. Das Modul ist revisionierbar und bietet ausreichend Platz für die nachträgliche Verlegung weiterer Leitungen, wie Wasser, Lüftung, Strom, Telefon oder Internet.

„Eine besondere Herausforderung stellen die Landesbauordnungen mit 16 unterschiedlichen Regelungen dar. Das führt zu der absurden Situation, dass wir 16 Abwandlungen eines Standardelements entwickeln mussten“, berichtet Marc Becker, Vice President Sales & Marketing bei ecoworks.

Mit weniger Regulatorik mehr erreichen

Alexander Rychter, Vorstand des VdW Rheinland Westfalen, ist einer der engagiertesten Fürsprecher und Unterstützer des seriellen Sanierens und treibt das Thema in seinem Bundesland aktiv voran. Durch die Nähe zu den Niederlanden kam man in Nordrhein-Westfalen schon früh in Kontakt mit dem innovativen Sanierungsansatz. Im Rahmen eines gemeinsamen Arbeitskreises gibt es regelmäßigen Austausch mit der niederländischen Wohnungswirtschaft.

„Von unseren Nachbarn können wir viel lernen. Während die Niederländer sehr schnell einfache und pragmatische Lösungen finden, ersticken wir in der Regelungsflut eines immer undurchsichtiger werdenden Bürokratiedschungels“, so Rychter. Dass Nordrhein-Westfalen Vorreiter bei der seriellen Sanierung sei, läge vor allem an Ministerin Ina Scharrenbach, die vorbildliche förderpolitische Rahmenbedingungen geschaffen und regulatorische Hürden abgebaut habe.

Pressekontakt

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Ariane Steffen

Kommunikation Wohnungswirtschaft und Nichtwohngebäude

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