Serielle Plattenbausanierung als Blaupause für die Wärmewende im Bestand
In der brandenburgischen Stadt Ludwigsfelde lässt das kommunale Wohnungsunternehmen „Märkische Heimat“ einen der ersten WBS 70-Plattenbauten vom deutsch-estnischen Gesamtlösungsanbieter Seeria Renova seriell sanieren. Das Projekt kann zur Blaupause für die schnelle, wirtschaftliche und mieterfreundliche Sanierung großer Plattenbaubestände in Deutschland und Osteuropa werden. Im Rahmen einer Energiesprong on tour hatten 150 Interessierte am 11.2.2025 die Gelegenheit, serielles Sanieren live zu erleben.

Premiere in Brandenburg
Der 102 Meter lange, fünfgeschossige Gebäuderiegel in der Albert-Schweitzer-Straße 2-14 erhält eine neue Gebäudehülle aus 228 vorgefertigten Holzfassadenelementen, die inklusive Wärmedämmung, dreifach verglasten Fenstern und Faserzement-Oberfläche im Werk vorgefertigt und auf der Baustelle nur noch montiert werden. Die 82 Mietparteien bleiben während der bis April 2025 andauernden Sanierungsarbeiten in ihren Wohnungen. Da die Arbeiten vor Ort schnell gehen und der Eingriff in die Wohnungen minimal ist, können serielle Sanierungen in bewohntem Zustand durchgeführt werden.
Rund 6,7 Mio. Euro investiert die Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde „Märkische Heimat“ in das Projekt. „Als kommunales Unternehmen und größter Vermieter der Stadt wollen wir einen aktiven Beitrag zur Umsetzung der regionalen Klimaziele leisten und mit der ersten seriellen Sanierung in Brandenburg ein besonderes Zeichen setzen“, erklärt Geschäftsführer Frank Kerber.
Bilanziell Netto-Null
Wie die meisten Plattenbauten ist auch der Gebäuderiegel in Ludwigsfelde an das öffentliche Fernwärmenetz angeschlossen, das derzeit noch weitestgehend auf fossilen Energien basiert. Eine 82 kWp starke Photovoltaikanlage auf dem Dach erzeugt 17,9 kWh grünen Strom pro Quadratmeter Wohnfläche. Da sich ein Mieterstrom-Modell in Ludwigsfelde aufgrund der Rahmenbedingungen derzeit noch nicht wirtschaftlich umsetzen ließ, wird die selbst erzeugte Solarenergie ins öffentliche Energienetz eingespeist. „Rein rechnerisch reduziert die Produktion und Einspeisung der erneuerbaren Energien vom Dach die CO2-Emissionen der fossilen Energieträger aus dem Fernwärmenetz um 50 Prozent. Bilanziell ist das Gebäude somit ein Null-Emissionshaus“, erläutert Kaarel Väer, Geschäftsführer des ausführenden Sanierungsunternehmens Seeria Renova.
Zur weiteren CO2-Reduktion tragen die 228 Fassadenelemente aus Holz bei, die dauerhaft über 100 Tonnen CO2 binden. Nach der Sanierung wird sich die Energieeffizienz des Ludwigsfelder Plattenbaus vom energetischen Mittelfeld C auf das ambitionierte Neubau-Niveau A+ verbessern. Der Primärenergiebedarf und CO2-Ausstoß sinken um rund 65 Prozent.
Skalierung als Sanierungsturbo
Mit rund 600.000 Wohneinheiten ist der WBS 70 der meistgebaute Plattenbautyp der DDR. Da Plattenbauten bereits nach den Prinzipien der seriellen und modularen Vorfertigung geplant und in Großtafelbauweise errichtet wurden, sind sie optimal für die serielle Sanierung geeignet. Der kompakte Baukörper der fünf- bis sechsgeschossigen Gebäude sowie das vordefinierte Fassadenraster von 6 x 2,80 Metern bieten beste Voraussetzungen.
Die für den WBS 70-Plattenbau in Ludwigsfelde entwickelte serielle Sanierungslösung lässt sich auch auf den Plattenbautyp P2 sowie die QP-Serie übertragen und kann somit mehr als 50 Prozent des ostdeutschen Plattenbaubestandes auf Klimakurs bringen. „Bei einer hohen Anzahl gleichartiger Gebäude greifen kostensenkende Skalierungseffekte schneller und in einer ganz anderen Größenordnung. Deshalb kann von dem Projekt in Ludwigsfelde ein Katalysatoreffekt ausgehen, der den seriellen Sanierungsmarkt insgesamt auf ein neues Level hebt“, betont Nico Gorsler, Teamleiter des Kompetenzzentrums Serielles Sanieren der dena.

Statements
„In diesem seriellen Sanierungsprojekt verbinden sich die Kompetenzen beider Länder auf idealtypische Weise. Wenn deutsche Ingenieurskunst auf estnischen Innovationsgeist trifft, können wir nachhaltige Lösungen schneller vorantreiben.“ Marika Linntam, Botschafterin Estland

„Die Kilowattstunde ist die Währung der Zukunft. Das gilt insbesondere für den Gebäudesektor. Jede Kilowattstunde, die wir hier einsparen, zahlt in das Ziel der Klimaneutralität ein. Das Projekt ist ein wichtiger Schritt auf dem Dekarbonisierungspfad des kommunalen Gebäudebestands.“ Andreas Igel, Bürgermeister von Ludwigsfelde

„Innovationen brauchen den Mut, den Status quo zu hinterfragen und Dinge anders zu machen. Die städtische Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde geht mit diesem Projekt mutig voran und ist damit ein Vorbild für die ganze Branche.“ Maren Kern, Vorständin BBU
„Energiesprong… Ich konnte es mir nicht wirklich vorstellen und war ehrlicherweise auch ein wenig skeptisch - für einen WBS70 ist diese Art des Seriellen Sanierens aber ein Knaller.“ Stanley Fuls, Vorstandsvorsitzender Eisenhüttenstädter Wohnungsbaugenossenschaft eG