Serielle Sanierung XXL
Wie die Wärmewende in der Breite gelingen kann, konnten rund 120 Interessierte am 24.9. im Rahmen der Energiesprong on tour: #Erlangen erfahren. In der fränkischen Metropole realisiert die GEWOBAU das bislang größte serielle Sanierungsvorhaben in Deutschland.
Zum Einstieg brachte Uwe Bigalke, Teamleiter Serielles Sanieren bei der dena, noch einmal die Vorteile des innovativen Modernisierungskonzepts auf den Punkt: „Serielles Sanieren ist ein Gewinn für alle: Der Bauwirtschaft eröffnet sich ein neues wachstumsstarkes Marktsegment mit attraktiven Geschäftschancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Wohnungswirtschaft erhält qualitativ hochwertige energetische Modernisierungen, die sich über Förderungen, Energieeinsparungen und teilweise auch zusätzliche Mieteinnahmen durch neu geschaffenen Wohnraum refinanzieren. Und die Mieterinnen und Mieter profitieren von niedrigen Energiekosten und hohem Wohnkomfort zu weiterhin bezahlbaren Mieten.“
GEWOBAU Erlangen als innovativer Vorreiter
Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Bayern geht noch einen Schritt weiter und hat sich mit einem eigenen Klimaschutzgesetz zur Klimaneutralität bis 2040 verpflichtet. Serielles Sanieren ist für die bayerische Wohnungswirtschaft ein bedeutender Lösungsbaustein, um die Klimaziele im Gebäudebestand schneller zu erreichen. Die GEWOBAU Erlangen ist mit ihren Pilotprojekten ein bundesweit viel beachteter Pionier der seriellen Sanierung. „Klimaschutz im Bestand ist nicht nur baulich, sondern auch finanziell eine Herkulesaufgabe. In den kommenden Jahren wird die Wohnungswirtschaft mehr in den Wohnungsbestand als in den Neubau investieren. Die Serie beim Sanieren kann ein Erfolg werden, wenn sie von einer verbesserten und verlässlichen Förderung in Serie flankiert wird“, betonte Hans Maier, Vorstand des Verbands der Bayerischen Wohnungswohnungswirtschaft, in seinem Grußwort.
Die Stadt Erlangen hat sich noch ambitioniertere Ziele gesetzt und will die angestrebte Klimaneutralität bereits 2030 erreichen. „Als kommunales Unternehmen und große Wohnungsbaugesellschaft in Bayern tragen wir eine besondere Verantwortung und haben gleichzeitig eine Vorbildfunktion. Deshalb treiben wir das serielle Sanieren aktiv voran und unterstützen damit die Klimaziele der Stadt“ erklärte Tobias Stöhr, Geschäftsführer der GEWOBAU Erlangen. In mehreren Quartieren wird derzeit mit unterschiedlichen Anbietern erprobt, welcher serielle Ansatz am besten für die schnelle und wirtschaftliche Sanierung des rund 9.000 Wohngebäude umfassenden Bestands geeignet ist.
Fliegende Fassaden in Erlangen-Bruck
Im Heinrich-Hertz-Quartier in Erlangen-Bruck ließ ecoworks für die Energiesprong on tour Teilnehmenden die Fassaden fliegen. Die Fassadenelemente in Holzrahmenbauweise wurden inklusive Dämmung, Fenstern, Verschattung, Lüftung und Verkleidung im Werk industriell vorgefertigt und auf der Baustelle live am Gebäude montiert. Darüber hinaus werden die Dächer der sechs Mehrfamilienhäuser erneuert mit Photovoltaik-Modulen ausgestattet. Mit Solarstrom betriebene Wärmepumpen ersetzen die alten Gasheizungen. Da Sanierungen nach dem Energiesprong-Prinzip weitestgehend minimalinvasiv erfolgen, können die 132 Mietparteien während der energetischen Modernisierung in ihren Wohnungen bleiben. Die Arbeiten sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Die Häuser erreichen dann KfW-Standard 55 EE und haben einen Effizienzsprung auf Klasse A+ gemacht.
Fliegende Fertigbäder und -dächer in Erlangen Süd
Im Quartier Jaminstraße konnten die Teilnehmenden der Exkursion erleben, wie Fertigbäder und -dächer per Kran positioniert und vor Ort verbaut wurden. In drei Bauabschnitten saniert Niersberger hier 23 Mehrfamilienhäuser mit 475 Wohnungen seriell und schafft durch Aufstockung dringend benötigten neuen Wohnraum. Auf diese Weise entstehen 162 zusätzliche Wohnungen, die vorwiegend an Haushalte mit kleinem Einkommen vermietet werden sollen.
Umgesetzt wurde in diesem Bauabschnitt ein komplexes energetisches Quartierskonzept, das Geothermie, Photovoltaik und Wärmepumpen miteinander kombiniert. Ebenso anspruchsvoll ist die hier verbaute TGA-Lösung: Die gesamte Gebäudetechnik ist in einem unterirdischen verbauten Beton-Kubus zentral gebündelt. Die Ver- und Entsorgungsleitungen werden über sogenannte Backpacker an der Fassade in die Wohnungen geführt.
Kostensenkungspotenziale längst noch nicht ausgeschöpft
Zum Finale eines erlebnis- und erkenntnisreichen Tages teilten die beteiligten Akteure ihre Best Practices und Lessons Learned mit den Teilnehmenden. Martin Scholz von der Niersberger Building Solutions konnte die Effizienz im laufenden Projekt von 120 m2 auf 180 m2 Fassadenfläche pro Tag steigern. Weiteres Kostensenkungspotenzial sieht er in der parallelen Umsetzung von serieller Sanierung und Aufstockung sowie der Integration von Haustechnik in die Fassade.
Perspektivisch würden bei Quartierssanierungen wie in Erlangen Skalierungseffekte in der Planung, Entwicklung und Montage greifen. Für ecoworks lässt sich der Vorfertigungsgrad durch die kontinuierliche Weiterentwicklung der Sanierungslösungen auf bis zu 90 Prozent erhöhen, woraus attraktivere Konditionen für die Wohnungswirtschaft resultieren. Nach Schätzungen von ecoworks-Gründer Emanuel Heisenberg könnten durch den Abbau bürokratischer Hürden und innovationshemmender Regularien weitere 30 Prozent der Kosten eingespart werden.
Für Peter Braun, Technischer Leiter der GEWOBAU Erlangen, ist das serielle Sanieren schon heute ein zukunftsfähiges Modell für die Wohnungswirtschaft. Er appellierte allerdings an die Politik, die geforderten Energiestandards bei der Förderung zu überdenken. Ein höheres Effizienzniveau sei nur mit mehr Technik machbar. Die zusätzlichen Wartungskosten übersteigen dann jedoch häufig die Energiekosteneinsparungen. Mit niedrigeren Standards und weniger Technik ließe sich hier mehr erreichen.